Kaiserbau

Fleckiges Wahrzeichen
Die höchste Erhebung der Stadt
Kaiserbau Erdgeschoss

Immer gut gelüftet
Das Erdgeschoss des Kaiserbaus

Für alle Menschen denen der Begriff "Kaiserbau" nichts sagt: Anfang der siebziger Jahre wurde von der Kölner Baugruppe Kaiser mit dem Bau eines direkt neben der A 59 stehenden achtzehnstöckigen Hotels begonnen, das aber nie über das Rohbaustadium hinauskam, da bereits 1975 sämtliche Bautätigkeiten wegen irgendwelcher Schwierigkeiten wieder eingestellt wurden. Obwohl schon in den Achtzigern eine endgültige Beseitigung der Kaiserbauruine ein jährlich wiederkehrendes Thema des Stadtrats war, dominierte das weithin sichtbare, schmutzig-graue Betonskelett fast drei Jahrzehnte die Ansicht, wurde zu einem inoffiziellen Wahrzeichen der Stadt Troisdorf. Für nicht wenige Menschen war der Kaiserbau im Laufe der Jahre zu einem festen Bezugspunkt geworden, und besonders Jugendliche fühlten sich oft wie magisch angezogen von dem riesigen, verlassenen Gemäuer, nutzten es für häufig stattfindende, von einem morbiden Flair des Verfalls umhüllten Feten oder lärmender Besäufnisse. Aber alles hat ein Ende, und nach einem Vierteljahrhundert politischen Gezänks kam es am 13. Mai 2001 endlich zu einer Einigung, und um acht Uhr morgens wurde die Kaiserbauruine gesprengt, so das unerwünschte Wahrzeichen für immer aus dem Stadtbild entfernt.

Ende April 2003 bekam ich eine E-Mail von Franz von Halle, einem künstlerisch aktiven Grafiker, den ich aus unserer gemeinsamen Stammkneipe "Litro-Pinte" her kannte. Er schrieb mir unter anderem, dass er zusammen mit einer Gruppe Troisdorfer Künstler plane in den nächsten Monaten eine Ausstellung zum Thema "Kaiserbau" zu organisieren und sie zurzeit mit der Zusammenstellung der Ausstellungsstücke beschäftigt wären. Ohne jegliche Hintergedanken und nur weil ich ihm erzähle wollte wie ich die Sprengung der seit Jahrzehnten das Stadtbild dominierenden und von meinem Küchenfenster gut sichtbaren Bauruine blöderweise verschlief und ich zum Kaiserbau sowieso einiges zu erzählen hatte sendete ich ihm diese Worte als Antwortmail. Schon am nächsten Tag hatte ich diese Mail vergessen, denn zu dieser Zeit war ich erst wenige Wochen nach der allesverändernden Erkrankung und dem monatelangen Krankenhausaufenthalt wieder zu Hause, bekam jeden Tag mehrere E-Mails von Bekannten die genau wissen wollten was mit mir geschehen war. Da ich den Mailtext aber speicherte kann ich ihn an dieser Stelle wiedergeben:


Endlich (oder mal wieder) hatte das Hinundhergezerre der Politiker ein Ende, sollte der Kaiserbau endgültig gesprengt werden. Nachdem ein Kölner Künstler diesen mit Millionen hässlicher Fratzen verschandelt und es für ein Jahr so stehen gelassen wurde, sollte dieses einzige Troisdorfer Wahrzeichen (für dessen Erhalt wir sogar mit der mächtigsten Partei des dem Homo Sapiens bekannten Universums, der sagenumwobenen APPD, demonstrieren wollten, diesen Plan aber nach einer Woge Bier vergaßen), und sich so niemand außerhalb seines stillen Kämmerleins für den Kaiserbau einsetzte, konnte ich es nur begrüßen, dass dieses "Kunstwerk" für immer entsorgt wurde.
Was habe ich alles um den bzw. im Kaiserbau erlebt. Davon dass er immer, wenn eine ausgiebige Tour anstand, bei Rückkehr als erstes von der Autobahn aus ins Auge stach und man sich endlich wieder heimisch fühlen konnte, ganz zu schweigen, ebenso von dem Ausblick des Dachgeländes (ja, ich war mal oben). Ich bin als junger Erwachsener auf den halb verrosteten Baukränen herumgeturnt, ich kannte jeden Winkel des Kaiserbaus, habe sogar noch eine Narbe von einem einbeinigen, unfreiwilligen Sturz in einen leeren Kabelschacht. Es spielte keine Rolle, dass das mittlere Treppenhaus ab dem dreizehnten Stockwerk ohne Außenwand war und ich aufgrund absoluter Höhenangst diese Etagen kriechend bewältigte (trotz dreier Mutbier), vielmehr bewundere ich denjenigen, der in schwindelerregender Höhe die griechische Fahne übermannsgroß auf die Außenwand malte, jedenfalls mehr als diesen "Künstler" aus Köln. Auch möchte ich an die unzähligen Feten dort erinnern, die mich in jungen Jahren begleitet haben, jene bei der der Strom für die Musik per Kabeltrommel aus dem ach so fernen Sieglarer Neubaugebiet kam, oder jene bei der wir ein Feuer im Fahrstuhlschacht entzündeten, und alles verbrannten was nicht niet- und nagelfest war, sogar die Leiter am äußeren Treppenaufgang musste dran glauben. Der Fahrstuhlschacht gab einen prima Kamin ab, vier Etagen höher war uns mollig warm, sogar die Funken waren kilometerweit zu sehen, schlugen sie doch aufgrund des Zuges weit über dem Dach heraus. Natürlich standen zwei von uns Schmiere, um uns vor notorischen Spaßverderbern in Form der Polizei zu schützen, die den Kaiserbau immer besonders im Auge hatte. Sogar die Troisdorfer Band INZEST, die immerhin zwei EPs veröffentlichte, steuerte Mitte der Achtziger einen Song zum Thema Kaiserbau bei. Der Text ging so:



Kaiserbau Betonruine

Kaiserbau Betonruine
Steht gleich neben der Autobahn
Kaiserbau Betonruine
Überrest vom Größenwahn
Kaiserbau Betonruine
Denkmal einer Chemo-Stadt
Kaiserbau Betonruine
Dort fanden die besten Feten statt

Kaiserbau Betonruine
Zieht die Lebensmüden an
Kaiserbau Betonruine
Mal sehen wie lang ich fliegen kann
Kaiserbau Betonruine
Keiner kann dich übersehen
Kaiserbau Betonruine
Doch bald wirst du von uns gehen (wir schrieben das Jahr 1986, kicher)

Kaiserbau Betonruine
In dir trank ich wie besessen
Kaiserbau Betonruine
Dich werde ich nie vergessen
Kaiserbau Betonruine
Deine Feten war'n so schön
Kaiserbau Betonruine
Du darfst nicht von uns gehen



Kaiserbau innen

Fast wie Zuhause
Rudimentäre Innenausstattung

Putzig der Text, nich... aber 86 brandaktuell. Schon damals sprach man also schon von einem Abriss (habe den Text fünfzehn Jahre nicht gelesen), hat also lange überlebt, der alte Betonwixer. Dabei dachte ich öfters, dass mich das Dingen locker überleben wird.......
Doch kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Nachrufs zurück.
Eigentlich wollte/konnte ich es nicht glauben: Sprengung des Kaiserbaus, Sonntag, sieben Uhr morgens. Trotzdem schlief ich samstags lang und gut, beschloss angesichts des drohenden Massakers mich ordentlich zu besaufen und die Nacht durchzumachen. Das klappte hervorragend, zwar wollte ich um sieben vor Ort sein, aber da meine Lieblingsdisco einfach nicht schließen wollte, und ich von meinem Küchenfenster aus einen wunderbaren Ausblick auf den Kaiserbau hatte, dieser förmlich die Aussicht bestimmte, beschloss ich noch ein bisschen zu bleiben. So lauschte ich der Musik, schüttete Bier in mich hinein Smily Flascheund glotzte vielen Weibern auf den Arsch. Smily Starren Schwuppdiwupp war es sechs, ich wankte nach Hause und ließ mich mit einem letzten Bier des Abends (eigentlich des Morgens) an meinem Küchentisch nieder, rauchte eine Kippe nach der anderen und betrachtete den Kaiserbau.
"...der steht ja noch, bist voll pünktlich...", dachte ich noch und sank in tiefen, traumlosen und nicht sehr bequemen Schlaf. Als ich so gegen Zehn erwachte, war vom Kaiserbau nichts mehr zu sehen,  Smily Facepalm ein Kirchturm samt Uhr und Proberaum des Pfarrers (der spielt Glocke, probt immer Sonntagsmorgens und macht dabei einen Höllenlärm. Schlechte Isolation, sage ich da nur. Glaube ich muss mal die Polizei anrufen....) dominierte die Aussicht.
"...die haben den echt gesprengt...", staunte ich, legte mich um noch ein bisschen auszuruhen auf die Matratze.
Irgendwie fehlt uns was in Troisdorf seit jenem Tag.
Vielleicht sprengen die den dicken Mann ja noch, oder die Manstedt.....

Über ein Jahr später schickte mir Franz von Halle eine erneute Mail und überraschte mich mit einem beigefügten Zeitungsartikel. Smily Staun Offenbar hatte er die letztes Jahr erhaltene Mail ausgedruckt, das Blatt aufbewahrt und sie als ein Bestandteil der eine Woche zuvor im Troisdorfer Rathaus stattgefundenen Ausstellung verwendet.
All das geschah ohne mein Wissen, denn ich hatte diese Mail schon lange vergessen, sie als einen typischen und nur kurzfristig interessanten Kommunikationstext aus dem letzten Jahr angesehen. Aber trotz aller Überraschung amüsierte mich die Tatsache, dass eine Mail von mir im Rathaus ausgestellt wurde und meine Worte sogar in der Tageszeitung abgedruckt waren. An eine solche mögliche Folge meiner Erzählneigung hatte ich echt nicht gedacht.

Übrigens:
Ein Beitrag der Ausstellung rund um das ehemalige Troisdorfer Wahrzeichen war ein Daumenkino von Angelika Naurath, das auf der Grundidee vieler Bilder ähnlichen Motivs und einer schnellen Ansichtsfolge derer die den Eindruck von Bewegung zu hervorrufen sollen fußte. Dieses Grundprinzip ist bekanntlich Basis jedes Films. Ich überlegte mir später, dass dieser Effekt mittels der digitalen Technik noch besser zu erzeugen ist, erstellte eine animierte gif und das Ergebnis könnt ihr hier sehen. Lachen

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