Überschrift

Computernutzung in der Freizeit

Die Geschichte Meia und Computer begann im Jahre 1993, als ich meinen ersten Computer kaufte, einen gebrauchten 486ger mit einem heutzutage als lächerlich wenig anmutenden Prozessortakt von 20 MHz. Ich hatte mir das Gerät nur aus einem Grunde angeschafft: Ich war es leid mich für nur einmal beschreibbaren Farbbandkassetten für meine Schreibmaschine dumm und dämlich zu bezahlen. Stets hatten schon nach einem halben Jahr die Kosten für solche knapp jeden Monat benötigten Verbrauchsmaterialien den Anschaffungspreis fast erreicht. Das war mir zu teuer, ähnelte dem jährlichen Kauf einer neuen Schreibmaschine. Also musste eine Alternative her, und eines dieser neuartigen Geräte namens Personal Computer war optimal geeignet für einen Vielschreiber. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich absolut nichts über solche Geräte, noch nicht einmal, dass vor dem Ausschalten ein Herunterfahren des Betriebssystems nötig ist. Folglich schaltete ich in den ersten Monaten den Computer nach Benutzung immer direkt aus und wunderte mich warum der Speicherplatz auf der nur wenige hundert Megabyte großen Festplatte rasant immer kleiner wurde.
  Zu dieser Zeit erschien das Suburbia-Fanzine, ich war für Layout und Anfertigung der Druckvorlagen zuständig und zur Texterstellung und Bildbearbeitung nutzte ich schon bald den Rechner. Dies war eine spürbare Arbeitserleichterung, die viele vorher ungeahnte Möglichkeiten bot. Nur der Aldus Pagemaker weigerte sich beharrlich zu starten. Das Computerfehler fand ich schade, denn ich hätte ich doch gerne mit gerade diesem Programm gearbeitet. Also musste ein nagelneuer Computer mit einem brandaktuellen Pentium-Prozessor her, der in der obersten Preis- und Leistungsklasse mit schwindelerregenden 133 MHz lief. Aber vorher stand der Erwerb eines Scanners an.
  Da Flachbettscanner für mich unerschwinglich teuer waren und nicht selten mehr als ein kompletter neuer Rechner kosteten kaufte ich mir einen billigen Handscanner, ähnlich der Geräte mit denen Verkäuferinnen an Kassen die Preise erfassten. Allerdings konnte er nicht einfach an den Computer angeschlossen werden. Zuerst musste eine Steckkarte eingebaut werden. Diese für mich vollkommene neue Tätigkeit stellte mich vor ein Problem, und ich musste erst schnell in die Stadt eilen und mir einen Kreuzschraubendreher kaufen. Alles Weitere ging ohne Probleme vonstatten, und in den nächsten Wochen war ich immer wieder aufs Neue erfreut über dieses wundersame und praktische Gerät. Kurze Zeit später schaffte ich mir nach Zusammenkratzen meiner Ersparnisse den erwünschten Pentium-Rechner an, der zudem mit dem nagelneuen und benutzerfreundlichen Windows 95 als Betriebssystem aufwartete.
  Einige Tage nach Erwerb des Computers erwarb ich eine aktuelle PC-Zeitschrift, und sah mit Genugtuung meinen Neurechnertyp an der Spitze der technologischen Rangliste stehen. Lesen Nur wenige Wochen später kaufte ich eine neue Ausgabe dieser Zeitschrift und stellte mit Erstaunen fest, dass mein kurze Zeit vorher noch als "technologisches Spitzenexemplar" apostrophierter Neurechner nun in der Rangliste gar nicht mehr aufgeführt war, überholt von knapp einem Dutzend leistungsfähigerer Produkte. Zum ersten Mal in meinem Leben wurde ich mit der typischen Schnelllebigkeit von Hardwareprodukten in der Computerbranche konfrontiert. "Was heute noch ein Spitzenprodukt ist, gilt morgen als von gestern, ist technisch völlig veraltet und keinerlei Silbe mehr wert", dachte ich bei Lektüre des Artikels.
  Der Handscanner wurde erfolgreich an den Neurechner angeschlossen und einer Idee folgend ersetzte ich die Maus durch einen elektronischen Stift und das Mousepad durch ein Schreib-Tablett. Die Arbeit mit in Computern digitalisierten Fotos begann mich zu faszinieren, so sehr, dass ich mich mitunter stundenlang mit der Produktion sogenannter Composings befasste, auch kaufte ich mir ein dickes Buch namens Bildbearbeitung am PC, las oft darin und nahm es sogar mit in die Fabrik (ich verdiente mein Geld als Schicht- und Akkordarbeiter in einer Porzellanfabrik) um die offiziellen Pausen ebenfalls für Weiterbildung zu nutzen. Für Freude sorgte ein radikaler Preissturz bei Flachbettscannern. Ein Gerät der untersten Preisklasse war irgendwann für knapp anderthalb meiner Wochenlöhne erschwinglich, also legte mir ein solches Exemplar zu. Ein Flachbettscanner war wirklich besser, großflächige Vorlagen konnten problemlos ebenso eingescannt werden wie kleine Bilder, auch war keine ruhige Hand mehr nötig um ein brauchbares Ergebnis zu erhalten. Der Handscanner hatte also ausgedient, die Steckkarte konnte wieder aus dem Rechner entfernt werden und das Gerät der Abteilung "Veraltete Hardware" überverantwortet werden.
  In dieser Zeit entstand in mir der Wunsch in Zukunft mein Geld mit Computern und nicht mit Fabrikarbeit zu verdienen, aber da ich über keine großen Rücklagen und keine mir in einem Notfall finanziell helfen könnende Verwandte verfügte musste ein solcher Schritt genau überlegt und vorbereitet sein. Ende der Neunziger beschloss ich dann mich noch zwei oder drei Jahre autodidaktisch fortzubilden und dann den Absprung aus dem ungeliebten Berufsleben zu wagen.

Nie wieder Fabrik

Eine Entscheidung darüber wurde mir aber schon im Sommer 1999 aus der Hand genommen, als der Mutterkonzern entschied das Werk zu schließen und die Porzellanproduktion nach Ägypten auszulagern. Überraschend wurde ich unverschuldet arbeitslos. Ich hätte zwar wieder als Hilfsarbeiter in einer anderen Fabrik anfangen können, Nachdenken aber ich lehnte das Angebot ab und wollte getreu dem Motto "Ein Ende ist auch immer ein neuer Anfang" versuchen mein Hobby zu einem Beruf zu machen.
  Ein unverhoffter Geldsegen in Form einer Überweisung von mehreren tausend Mark versüßte dieses Ende: meine vermögenswirksamen Leistungen wurden bei Fabrikstilllegung ausgezahlt. Das Girokonto war also gefüllt wie noch nie, doch da ich wusste, dass der nächste Schritt eine Arbeitslosmeldung auf dem Arbeitsamt war und ich meine Konten offenlegen musste um Arbeitslosengeld zu bekommen, hob ich die Summe ab, deponierte das Geld zu Hause. Ich beschloss mein frisch erlangtes Vermögen erstmal unangetastet zu lassen, das Geld als Rücklage für die auf mich zukommenden Zeiten einer finanziellen Knappheit zu betrachten.
  Mein erster Besuch beim Arbeitsamt seit über fünfzehn Jahren bestätigte die Richtigkeit dieses Schrittes. Wie vorausgesehen musste ich mit aktuellen Kontoauszügen aufwarten um in den Genuss von Leistungen zu kommen, und wie erwartet sorgte die Nennung meines erlernten Berufes – Industrie-Keramiker – und mein Wunsch "Irgendetwas in der Computerbranche zu machen" für Unverständnis bei den verbeamteten Kaffeeschlürfern. Nur die Mitteilung als jemand der einen Beruf gelernt hat erstmal mindestens ein halbes Jahr arbeitslos sein zu müssen bevor eine Umschulungsmaßnahme bewilligt werden könnte überraschte mich, hätte ich niemals eine Lehre gemacht, hätte ich sofort von nichts auf etwas Neues umschulen können. So war ich behördlich zur Untätigkeit verdammt, obwohl ich am liebsten direkt am nächsten Tag eine neue Herausforderung in Angriff genommen hätte.

Eine Chance?

Nach mehreren ereignislosen Monaten in denen meine Hauptbeschäftigung im Anschauen von Talk-Shows und Soap-Operas bestanden hatte, entdeckte ich bei einem meiner zweiwöchentlichen Arbeitsamtbesuchen in einem der Regale ein kleines, einzelnes Flugblatt, bei dem für die Teilnahme eines in wenigen Tagen stattfindenden Kurses für Netzwerktechnik bei der Deutschen Angestellten Akademie geworben wurde. Das war meine Chance als Seiteneinsteiger in die Computerbranche zu kommen, obwohl ich von Netzwerktechnik keinerlei Ahnung hatte und mich bisher hauptsächlich mit Grafik und Layout beschäftigt hatte. Aber Hauptsache "irgendwas mit Computern", Hauptsache endlich wieder etwas tun, Hauptsache dieser nervigen Untätigkeit entfliehen zu können bevor eine psychische Talk Show-Abhängigkeit erwachsen konnte. Sofort nach dem wieder ergebnislosen Gespräch mit dem coffeinsedierten Arbeitsvermittler eilte ich zu der Deutschen Angestellten Akademie und wurde als einer der letzten Teilnehmer akzeptiert. Der Kurs sollte drei Monate dauern, ich teilte dies dem Arbeitsamt mit und dort waren die für mich zuständigen Personen erfreut darüber, dass sich plötzlich ein schier unlösbar anmutendes Vermittlungsproblem zumindest temporär gelöst hatte.
  Am ersten "Schultag" hielten sich bei mir Aufregung und Neugier die Waage, und angesichts der anderen Teilnehmer verschwand erstere recht schnell. Wir waren genau zwölf Leute, aber höchsten vier oder fünf davon nahmen mit der Intention für eine spätere berufliche Tätigkeit etwas über Computer lernen zu wollen daran teil, die meisten waren lediglich aufgrund bürokratischer Irrwege in diesen Kurs verschlagen worden.